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Auf der Jagd nach Zombiezellen

Das Wiener Start-up Rockfish Bio will mit innovativen Wirkstoffen die Körperuhr zurückdrehen und so ein längeres gesundes Leben ermöglichen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 12.09.2024 bei Laborjournal Online.

Nicht nur Amazon-Chef Jeff Bezos träumt davon: Unsterblichkeit. Oder – um das Ganze wissenschaftlicher zu formulieren – Langlebigkeit. In den letzten Dekaden hat die Forschung auf diesem Gebiet große Fortschritte gemacht und es existieren unterschiedlichste Ansätze, um dem irdischen Dasein noch einige zusätzliche Jährchen zu entlocken. Doch was bringt die Verlängerung des Lebens, wenn sie einfach die Zeit ausdehnt, in der Menschen mit altersbedingten Gebrechen dahinvegetieren?

Nicht unbedingt länger, aber gesünder

„Das Ziel sollte daher sein, die Gesundheitsspanne zu verlängern und nicht einfach die Lebensspanne”, sagt Ingo Lämmermann. Der Biotechnologe ist Mitgründer und Chief Scientific Officer des Wiener Start-ups Rockfish Bio, das sich das „Gesunde Altern” auf die Fahne geschrieben hat. Gegründet wurde das Unternehmen Ende 2021 von Lämmermann, damals Postdoc an der Universität für Bodenkultur in Wien, Johannes Grillari, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Traumatologie und dem in Start-up-Kreisen bekannten Otto Kanzler. Letzterer fungiert mittlerweile als Geschäftsführer der Firma. „Wir hatten damals Glück, mit Johannes Grillari und Otto Kanzler Gründungsmitglieder zu haben, die bereits Erfahrungen mit Start-ups haben sammeln können”, erinnert sich Lämmermann. Auch die Pre-Seed-Finanzierung durch den Austria Wirtschaftsservice und eine anschließende Seed-Finanzierung durch den Investor red-stars.com data AG ermöglichte es den Wienern schnell durchzustarten.

Fett ist nicht gleich Fett

Die Idee, mit der Lämmermann und Co. die Investoren überzeugen konnten, entstand bereits während seiner Promotion. „Ich habe mich damals schon mit Wirkstoffen beschäftigt, um seneszente, also teilungsunfähige, Zellen zu eliminieren. Diese spielen, wie man in den letzten Jahren herausgefunden hat, vermutlich eine große Rolle bei diversen altersbedingten Erkrankungen.” Das Problem: seneszente Zellen produzieren eine Vielzahl an Signalstoffen, die eine sterile Entzündung auslösen und das umliegende Gewebe negativ beeinflussen können. Dabei fiel den Forschenden auf, dass die gealterten Zellen ein anderes Lipidprofil zeigten als gesunde Zellen. „In diesen Zellen kommt es zu einer Anhäufung von Arachidonsäure. Die Fettsäure ist der Ausgangsstoff von Prostaglandinen und Leukotrienen, die Entzündungen begünstigen. Durch die Hemmung des Arachidonsäure-Abbaus vergiften die Zellen sich selbst und sterben ab”, erläutert der Biotechnologe. Als die Wiener bekannte Substanzen testeten, die die Produktion der Arachidonsäure hemmten, konnten sie die Effektivität dieses Ansatzes in diversen Zelllinien unterschiedlicher humaner Gewebe belegen.

Trotz vielversprechender Daten aus einer Vielzahl an präklinischen Studien hat es bislang kein Wirkstoff zur Eliminierung seneszenter Zellen in die Klinik geschafft. „Die existierenden Wirkstoffe, die bisher in der Forschung dazu benutzt wurden, um gealterte Zellen zu eliminieren, waren fast ausschließlich hochpotente Chemotherapeutika, die massive Nebenwirkungen haben”, so Lämmermann. Es scheint zunächst widersprüchlich, dass ausgerechnet Krebsmedikamente, die auf sich schnell und unkontrolliert teilende Zellen wirken, teilungsunfähige Zellen eliminieren können. „Das ist jedoch nur oberflächlich betrachtet ein Widerspruch”, wirft Lämmermann ein. „Seneszente Zellen und Krebszellen sind bei vielen Stoffwechselwegen gar nicht so unterschiedlich. Wenn erstere akkumulieren, sind sie zudem tumorigen und erleichtern die Ausbildung von Metastasen.”

Wieder jünger als erwartet

Aufgrund des Nebenwirkungsprofils kommt eine präventive Verwendung dieser Medikamente jedoch nicht infrage. Daher suchten die Wiener nach Alternativen und entdeckten ihren derzeitigen Lead-Kandidaten RFB01016. Dabei handele es sich um ein Small Molecule, das hemmend in den Abbau der Arachidonsäure eingreift. So verhindert der Wirkstoff, dass die Fettsäure zu gewebsschädigenden Botenstoffen umgesetzt wird. „In Mausexperimenten konnten wir zeigen, dass behandelte alte Tiere sowohl muskulär als auch neurologisch wieder einen Zustand erreichten, wie man ihn von viel jüngeren Mäusen erwarten würde”, fasst Lämmermann die Ergebnisse zusammen. Zudem konnten die Wiener dank Ihres Wirkstoffs die Lebenserwartung der Mäuse um bis zu 40 % verlängern – und das ohne Nebenwirkungen.

Im nächsten Schritt will Rockfish Bio ihren Lead-Kandidaten weiter optimieren. Zudem sollen Bibliotheken mit alternativen Strukturen gescreent werden. Auch ein mRNA-basierter Wirkstoff sei derzeit in der Entwicklung. „Dann müssen wir uns für eine altersbedingte Dysfunktion entscheiden, die wir behandeln wollen. Einen Wirkstoff zur präventiven Behandlung kann man leider nicht zulassen”, erklärt Lämmermann. Deshalb seien die Wiener gerade dabei, ihren Lead Kandidaten in mehreren Krankheitsmodellen zu testen.

Therapie nach Bedarf

Da gilt es auch eine weitere Hürde zu nehmen, denn wie weist man seneszente Zellen ohne invasive Methoden nach, um einen Behandlungserfolg nachweisen zu können? „Wir arbeiten dafür mit TAmiRNA zusammen, einem Start-up, an dem unser Geschäftsführer Otto Kanzler ebenfalls beteiligt ist.” Das Unternehmen entwickelt diagnostische Kits zum Nachweis von microRNA-Biomarkern aus Blutproben. Eine solche Biomarker-Signatur für seneszente Zellen sei laut Lämmermann gerade in der Entwicklung. Damit solle dann ein Seneszenz-Score ermittelt werden können. „Idealerweise kann man in Zukunft diesen Score bei der Hausärztin oder Hausarzt bestimmen lassen und dann bei Bedarf ein bis zwei Wochen eine senolytische Therapie machen. Diese hält dann im Idealfall für einige Jahre”, wagt der Biotechnologe einen Blick in die Zukunft.

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