…das ist das Motto von CanChip-Gründerin Ghazaleh Madani. Das junge Potsdamer Start-up will die Krebstherapie mit Cancer-on-a-Chip-Modellen revolutionieren.
Dieser Artikel erschien zuerst am 17.10.2024 bei Laborjournal Online.
Tumorerkrankungen sind auf dem Vormarsch. Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch das Risiko, dass sich die unerwünschten Wucherungen bilden. Einer Analyse des deutschen Krebsregisters zufolge erkranken etwa 51 % der Männer und 43 % der Frauen im Laufe ihres Lebens an Krebs – dies summiert sich auf etwas weniger als 500 000 Fälle pro Jahr. Die meisten Familien sind früher oder später davon betroffen. So ging es auch Ghazaleh Madani, die Ihre beiden Onkel an den Krebs verlor und deren Mutter eine Tumorerkrankung überlebte. „Da habe ich mir gedacht, dass ich etwas dagegen tun muss“, erklärt die Biochemikerin.
Keine Tiere, kein Problem
Zusammen mit Omid Nejati gründete Madani deshalb Anfang 2024 die CanChip GmbH. Deren ambitioniertes Ziel: die Krebsforschung zu revolutionieren – und das ohne Tierversuche. „Ich habe bereits während meines Studiums in Potsdam in der Krebsforschung gearbeitet“, erinnert sich die Biochemikerin. Während ihres Masterstudiums lernte sie den späteren Mitgründer Omid Nejati kennen. Dieser hatte bereits viel Erfahrung mit Organ-on-a-Chip-Modellen sammeln können. “Wir haben uns dann gesagt, wenn es eine solche Alternative zu Tierversuchen gibt, dann muss man die auch nutzen. Daher haben wir uns entschlossen, auf diese Modelle zu setzen.“ Kritikern der Organ-on-a-Chip-Technologie hält sie entgegen: „Die FDA hat mittlerweile den Weg für tierversuchsfreie Medikamentenzulassungen geebnet und es wird erwartet, dass die europäischen Behörden bald nachziehen.“ Damit wolle sich das Start-up rechtzeitig positionieren, wenn sich die Anforderungen für Tierversuche demnächst weiter verschärfen.
Frisch aus dem 3D-Drucker
Ihre Mikrofluidik-Chips stellen die Potsdamer*innen selbst per 3D-Druck her. „Wir setzen dabei auf Digital Light Processing. Damit können wir unsere Designs auf 60 µm genau drucken“, erklärt Madani. Die Technik sei verhältnismäßig günstig und schnell. So können die Forschenden innerhalb von zwei bis drei Tagen einen Chip designen. In die gedruckten Chips injizieren sie dann Tumorzellen von Patient*innen. So können Wirkstoffe je nach Indikation und Komplexität teilweise schon nach etwa 14 Tagen und einer abschließenden Qualitätskontrolle individuell für die Betroffenen getestet werden. „Unser Ansatz ist ganz klar eine personalisierte Medizin für Patienten mit Krebserkrankungen. Wir können mit unseren Chips die Mikroumgebung der Krebszellen nachbilden und so auch Wechselwirkungen mit anderen Organen beobachten“, beschreibt die Biochemikerin den Ansatz des Unternehmens.
Validieren und Zertifizieren
Derzeit ist CanChip allerdings noch mit der Validierung und Zertifizierung ihrer Chips beschäftigt. Dafür benötigt das Potsdamer Start-up vor allem eins: auswertbare Ergebnisse von echten Patient*innen. „Die Krux dabei ist, dass wir in Deutschland zeigen müssen, dass unser Chip vergleichbare Ergebnisse zu anderen Methoden liefert, bevor wir diesen für Patientenproben einsetzen dürfen. Dafür brauchen wir jedoch Daten, die wir nur mit Patientenproben generieren können.“ Ein Teufelskreis, so Madani. Allerdings sind die Vorgaben in anderen europäischen Ländern – wie etwa Schweden und Rumänien – weniger streng, sodass die Forschenden hier die nötigen Ergebnisse sammeln können. Derzeit arbeitet das Unternehmen an der Validierung ihres ersten Cancer-on-a-Chip-Modells für Darmkrebs. In diesem Zuge streben die Potsdamer zunächst die nötigen GLP- und ISO-Zertifizierungen an.
Investorenliebling
Sobald diese erteilt sind, werde man die Zulassung nach der Medical Device Regulation anstreben. Bis dahin drehen die Forschenden jedoch nicht Däumchen, wie die Biochemikerin erzählt: „Wir bieten unsere Chips bereits zu Forschungszwecken für Universitäten und Institute, aber auch Biotech- und Pharmaunternehmen an. Derzeit planen wir Projekte mit den Universitäten in Potsdam und Ulm. Zudem arbeiten wir auch mit Instituten in Schweden, Italien und der Türkei.“ Dank dieser Auftragsarbeiten, Fördermitteln der Investitionsbank des Landes Brandenburg und eines Investments des ehemaligen SC Potsdam-Vorstands Andreas Klemund sei die Finanzierung des Unternehmens bis Ende 2025 gesichert. Und auch darüber hinaus sieht es gut aus, berichtet Madani mit einem Lächeln: „Wir sind in der glücklichen Position, dass und jede Woche etwa zwei bis drei Investoren anschreiben und sich mit uns treffen möchten.“
Ein nachvollziehbares Interesse, denn wo andere Start-ups über mehrere Jahre Geld verbrennen, generiert CanChip wenige Monate nach dessen Gründung bereits Einnahmen. Außerdem positioniere sich das Unternehmen frühzeitig in einem zukunftsträchtigen Markt, so das Kalkül der Potsdamer. In Zukunft wolle man sowohl als Dienstleister Chip-Designs von Auftraggebenden aus Industrie und Forschung umsetzen, als auch die eigenen Chips weiterentwickeln. Zudem bietet CanChip an, die Cancer-on-a-Chip-Modelle auch zu analysieren und direkt Daten zu liefern. „Um Krebs effektiv bekämpfen zu können, braucht es solche neuen Ansätze. Wir müssen raus aus unserer Komfort-Zone“, fasst Madani zusammen.