Virale Vektoren und komplexe Glykoproteine aus dem Rührkessel? Kein Problem für die CEVEC Pharmaceuticals GmbH aus Köln. Ihren selbst entwickelten Zelllinien sei Dank.
Dieser Artikel erschien zuerst im Laborjournal, Ausgabe 03/2019.
Als der Mediziner Stefan Kochanek 2001 mit anderen Kolleg:innen der Universität Köln die CEVEC Pharmaceuticals GmbH gründete, hatten sie einige Ideen zur Verbesserung der Produktionsverfahren für Gentherapie-Vektoren im Sinn. Da die Gentherapie damals jedoch durch den Tod einiger Studienteilnehmenden ein wenig in Verruf geraten war, konzentrierte sich das Unternehmen bald auf die Herstellung komplexer Proteine. Zu ihrer eigenen Verwunderung merkten sie allerdings schnell, dass es dafür noch gar keinen Markt gab.
„Da war CEVEC seiner Zeit tatsächlich etwas voraus“, resümiert Nicole Faust, die seit 2011 im Unternehmen ist und seit knapp zwei Jahren als dessen Geschäftsführerin fungiert. „Obwohl schon damals viele dachten, dass da doch ein wirklich großer Bedarf sein müsste.“ Nichtsdestotrotz stellte sich der Erfolg jedoch bald ein: Heute ist CEVEC sehr gefragt, wenn es um die Herstellung rekombinanter glykosylierter Proteine geht – und auch in der Produktion viraler Vektoren für die Gentherapie mischen die Kölner:innen inzwischen kräftig mit.
Verfahren gleich, Zellen besser
Die von CEVEC verwendete Technologie zur Herstellung rekombinanter Proteine ist im dabei im Wesentlichen mit anderen industriellen Verfahren vergleichbar. Der fundamentale Unterschied liegt vielmehr in den Zelllinien. CEVEC setzt zur Produktion der Proteine eine eigens entwickelte Plattform aus CAP-Go-Zelllinien ein.
CAP steht hierbei für „CEVEC Amniocyte Production Technology“ und verrät bereits, dass hier Amniozyten eingesetzt werden – also fötale Zellen, die bei der Fruchtwasserpunktion (Amniozentese) anfallen, mit der Ärzt:innen Material für die pränatale Diagnostik gewinnen. Doch das Kölner Unternehmen hatte es nicht auf irgendwelche Amniozyten abgesehen. Vielmehr pickten die Mitarbeitenden in einem aufwendigen Screening-Verfahren Klone von Amniozyten, die in ihren Tests komplexe Glykoproteine mit hoher Qualität und Effizienz produzieren konnten – beispielsweise Gerinnungsfaktoren.
Diese Zellen kann das Team heute je nach Kundenwunsch genetisch modifizieren, beispielsweise um die Plasma-Halbwertszeit der produzierten Glykoproteine zu erhöhen. Nicole Faust erläutert: „Wir haben gezielt in die Glykosylierungs-Maschinerie eingegriffen – daher kam letztlich das Kürzel ‚Go‘‚ für ‚Glycooptimized‘. Konkret haben wir die Zellen genetisch so verändert, dass sie etwa bestimmte Enzyme aus den Glykosylierungs-Pathways überexprimieren oder aber inaktivieren – sodass wir jetzt aus verschiedenen Zellen der CAP-Go-Plattform auswählen können, wenn ein Kunde mit spezifischen Anforderungen an die Glykosylierung zu uns kommt.“
Hinzu kommt, dass die Amniozyten menschlichen Ursprungs sind und die Glykosylierungs-Muster keine eventuell immunogenen oder allergenen Strukturen enthalten, wie dies bei den analog verwendeten Chinese Hamster Ovary Cells der Fall sein kann. Die Zellen können dann in einer Suspensionskultur im Rührkessel gehalten werden und im großen Maßstab auch sehr komplexe Proteine produzieren.
„Wir frotzeln da gerne ein bisschen und sagen: Antikörper sind einfach, das können andere machen – wir dagegen fokussieren uns auf die schwierigen Fälle“, verrät Nicole Faust mit einem Lachen.
Stabil und reproduzierbar
Ähnlich verhält es sich mit dem von CEVEC entwickelten Verfahren zur Produktion von viralen Vektoren für die Gentherapie. Die hier verwendete CAP-GT-Plattform ermöglicht die skalierbare Produktion adenoviraler, Adenovirus-assoziierter und lentiviraler Vektoren. Ein wichtiger Vorteil gegenüber den dafür normalerweise verwendeten HEK 293-Zellen liegt in der verbesserten Integration der zur Herstellung adenoviraler Vektoren benötigten Adenovirus-E1-Gene.
Diese sind in den CAP-Zellen so angeordnet, dass keine homologe Rekombination zwischen dem CAP-Genom und dem Vektor-Genom möglich ist – und so keine replikationsfähigen Adenoviren entstehen können.
Die eigentliche Neuheit ist jedoch die Entwicklung eines stabilen Produktionssystems zur Herstellung von Adenovirus-assoziierten (AAV) Vektoren. Bei den bisher üblichen Verfahren zur Virusproduktion muss man die dafür benötigte genetische Informationen über mehrere Plasmide transient in die Produktionszelllinie transfizieren – ein auch unter industriellen Bedingungen nur schwer zu reproduzierender Prozess.
„Es gibt also ein großes Bedürfnis nach einer Produktionsplattform, bei der die transiente Transfektion wegfällt – und ebenso Helferviren unnötig macht, die alternativ zur Transfektion eingesetzt werden“, erklärt Nicole Faust. Zudem können mit der transienten Transfektion bisher nur kleinere Mengen viraler Vektoren hergestellt werden, was die Behandlungsmöglichkeiten deutlich limitiert. Für „große“ Indikationen wie etwa Parkinson oder Alzheimer, für die derzeit Gentherapien diskutiert werden, ist der bisherige Ansatz folglich unterdimensioniert. „Niemand weiß im Moment, wie er mit den gängigen Methoden die erforderlichen Mengen für die künftige Behandlung vieler Patienten herstellen soll“, gibt sie zu bedenken.
Keine toxischen Replikasen
Der von den Kölner:innen entwickelte stabile Produktionsansatz ist im Prinzip so einfach wie das Herstellen rekombinanter Proteine. Das Genom der CAP-Zelle enthält bereits sämtliche für die Virusproduktion benötigten Informationen. Der Clou dabei: Die Expression der viralen Gene wird erst nach der Expansion auf das gewünschte Produktionsvolumen gezielt induziert.
Dieser Induktionsschritt ist essenziell, da die viralen Replikasen ansonsten toxisch für die Wirtszelle sind. Trivial ist er jedoch nicht: Bis dato ist CEVEC das einzige Unternehmen, das ein solches stabiles Verfahren etablieren konnte.
„Nobody wants to go first“
Dabei gab es bei der Entwicklung der Plattformen weder regulatorische noch technische Probleme. Nicole Faust: „Wir wundern uns oft selbst, wie gut die Zellen zu handhaben sind und dass sie eigentlich auch sehr, sehr robust sind. Wir haben meistens eher Probleme, die Kunden zu überzeugen, dass sie die Zellen tatsächlich stark schütteln oder schnell rühren dürfen.“
Die Kund:innen mussten jedoch nicht nur von der Robustheit der Zellen überzeugt werden, sondern natürlich überhaupt erst einmal davon, ein völlig neues Verfahren zu verwenden. „Nobody wants to go first, everybody wants to go second“, zitiert Faust eine Kund:in.
Die US-amerikanische Firma Newlink Genetics traute sich dann doch und erwarb eine Lizenz für die CAP-GT-Plattform, mit deren Hilfe sie Impfstoffe für die Tumortherapie herstellen wollte. „Mit diesem ersten Nutzer war der Bann schließlich gebrochen“, so Faust. „Und inzwischen haben wir eine ganze Reihe von Kunden, die die Plattform jetzt als ‚überzeugte Zweite‘ einlizenzieren.“
Grenzenlose Möglichkeiten
Die Einsatzmöglichkeiten der rekombinanten Proteine und viralen Vektoren, die mithilfe der Technologien von CEVEC hergestellt werden können, sind fast grenzenlos. So lizenzierten die Kölner:innen ihre CAP-Go-Plattform beispielsweise auch an das australische Pharma-Unternehmen CSL, welches damit eine neue Version ihres bereits vermarkteten C1-Esterase-Inhibitors herstellen möchte. Analog wollen etwa die deutschen Firmen medac und Provecs Medical die CAP-GT-Plattform zur Produktion adenoviraler Vektoren für die Krebsbehandlung nutzen.
In der nächsten Zeit wird CEVEC sich vor allem auf die Optimierung der stabilen AAV-Plattform konzentrieren und auch die Produktion lentiviraler Vektoren wieder mehr in den Fokus rücken. Und da die Gentherapie gerade generell wieder Fahrt aufzunehmen scheint, wird CEVEC sich wohl auch zukünftig über ein reges Interesse an ihren CAP-GT-Zelllinien freuen.