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Wirkstoffbausteine aus dem Bioreaktor

Daran arbeitet das Potsdamer Start-up kez.biosolutions GmbH. Dabei setzt das junge Unternehmen auf die bakterielle Polyketidsynthase und ihr selbst entwickeltes Koenzym Z.

Dieser Artikel erschien zuerst am 26.09.2024 bei Laborjournal Online.

Die meisten Wirkstoffe sind oder basieren nach wie vor auf Naturstoffen. Oft entstehen sie über komplexe Stoffwechselwege und lassen sich nur mit erheblichem Aufwand synthetisch herstellen. Besondere Aufmerksamkeit haben deshalb in den letzten Jahren Polyketide erhalten, da diese sich in Bakterien exprimieren und – Bausteinen gleich – zu komplexen Molekülen zusammensetzen lassen. Zudem verfügen Vertreter dieser Stoffgruppe über viele chirale Zentren und eine vielfältige dreidimensionale Struktur. Das macht sie für pharmazeutische Anwendungen sehr interessant. Das dachte sich auch das Potsdamer Start-up kez.biosolutions. Die Forschenden werkeln derzeit an einer Plattformtechnologie, um klickbare polyketidbasierte Bausteine im Bioreaktor herzustellen.

Kurzentschlossen

Mitgründer Jan Degen war sich schon früh sicher, dass er sich irgendwann selbstständig machen würde. „Ich wusste aber auch, dass ich nicht der, mit der Idee sein werde”, schiebt er lachend nach. Als in Coronazeiten die Aussichten für die Ticketing- und Eventbranche, in der Degen zu diesem Zeitpunkt als Chief Operating Officer tätig war, düster werden, machte er sich auf die Suche nach etwas Neuem. Der Zufall kam ihm zu Hilfe, als sich sein alter Schulfreund Alexander Rittner – damals Post-Doc in der Forschungsgruppe von Martin Grininger an der Universität Frankfurt – bei ihm meldete. „Alexander hatte die Idee, basierend auf seiner Forschung zu Polyketiden ein Start-up zu gründen und hat mich gebeten, mir mal sein Pitchdeck anzuschauen. Drei Wochen später saßen wir zusammen beim Notar und haben die kez.biosolutions GmbH gegründet”, erinnert sich der Wirtschaftsinformatiker.

Das war im Dezember 2021. „Wir sind dann im April 2022 in unser Labor im Science Park in Potsdam eingezogen und konnten einige Monate später eine erste Finanzierung auf die Beine stellen”, schildert Degen den Werdegang des Unternehmens. Im Herbst desselben Jahres kam Mirko Joppe als erster Mitarbeiter ins Unternehmen – ein ehemaliger Doktorand aus Rittners Gruppe an der Universität Frankfurt. Eine weitere Finanzierungsrunde im Jahr 2023 erlaubte den beiden Gründern, ihre Labor- und Büroflächen im Potsdamer Gründerzentrum zu verdoppeln und vollständig auszustatten. „Jetzt haben wir vier gut ausgestattete Labore und Büros – sind aber nur zu dritt. Wir bereiten also derzeit eine weitere Finanzierungsrunde vor, um personell zu expandieren.”

Selektiv mit Selectase

Denn in ihrem Produkt sehen die Potsdamer großes Potenzial, wie Degen erläutert: „Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung neuartiger Wirkstoffkandidaten auf Basis von Polyketid-Bausteinen.” Diese Bausteine können die Forschenden durch gezielte Modifikationen bakterieller Polyketidsynthasen verändern und dann neu zusammenfügen. Mit dieser Idee sind die Potsdamer jedoch nicht allein, auch das Schweizer Start-up Myria verfolgt einen ähnlichen Ansatz.

Zusätzlich setzt kez.biosolutions jedoch auf die integrierte chemische Modifikation der so gewonnenen naturnahen Stoffe. „Wir produzieren die Polyketid-Bausteine in Bakterien im Bioreaktor und können dann durch unser eigenes Enzym Selectase die Bakterien dazu bewegen, chemische Veränderungen vorzunehmen. So lassen wir beispielsweise bestimmte Stellen des Moleküls fluorieren oder bringen Funktionen ein, um orthogonale Chemie betreiben zu können, die Bausteine also ‚klickbar‘ zu machen”, erläutert Degen. Um Fluor oder andere Atome einzubauen, versorgen die Forschenden die Bakterien im Reaktor mit eigenen Substraten, die sie Koenzym Z nennen. Diese Alternative zum Coenzym A ist auch der Namensgeber des Unternehmens.

Mit Zuckerrüben und Sojaproteinen

Mithilfe ihrer Plattform wolle das Unternehmen die aktuellen Chancen der KI ergänzen, optimale Moleküle für bestimmte Targets vorherzusagen. „Wir bringen diesen virtuellen, komplexen Chemical Space dann in die Realität“, verkündet der Wirtschaftsinformatiker. Zwar könnte man einige dieser Stoffe auch vollsynthetisch herstellen, dies sei aber kosten- und zeitintensiv. Perspektivisch wollen die Potsdamer ihre Technik so weit entwickeln, dass sie billige Ausgangsstoffe, wie Zuckerrüben oder Sojaproteine verwenden können. „Unser Ziel ist es dann, nur acht Wochen von der Idee bis zum fertigen Molekül zu benötigen”, ergänzt er.

Bisher arbeiten die Forschenden jedoch noch daran, ihre Plattformtechnologie zu optimieren und eine Bibliothek von kleinen Polyketid-Bausteinen aufzubauen. In Zukunft wolle sich das Unternehmen breiter positionieren: „Wir planen, sowohl eigene Wirkstoffe mit Partnern bis zu einem bestimmten Punkt zu entwickeln, als auch die Plattform und einzelne Bausteine zu lizenzieren.” Daher haben sich die Potsdamer bewusst gegen eine Ausgründung aus der Universität entschieden und stattdessen von Beginn an auf ein unabhängiges Unternehmen gesetzt. Das geistige Eigentum liegt komplett bei dem jungen Start-up, da die Gründungswilligen in diesem Zuge auch alle für ihr zukünftiges Projekt relevanten Entwicklungen reproduziert haben.

So konnte kez.biosolutions bereits zwei Patente anmelden und damit die Grundlage für eine spätere Verwertung schaffen. „Wir wollen kein reiner Dienstleister sein. Ein schönes Ziel für uns wäre ein Wirkstoffkandidat, der bereits im Tiermodell getestet wurde und nun bereit für einen ersten Einsatz im Menschen ist.“ Dafür ist das Potsdamer Start-up nicht nur auf der Suche nach Investoren, sondern auch nach Entwicklungspartnern und Interessenten für neue Building Blocks. Das Unternehmen wird von der Investitionsbank des Landes Brandenburg und mit EU-Mitteln gefördert. Das potenziell gefährliche Todestal der Start-ups habe man laut Degen jedoch noch nicht völlig durchwandert: „Fragen Sie am besten in einem Jahr nochmal”, sagt er und lacht.

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